Umgang mit Sterneneltern - wie kann ich helfen? Empfehlungen für Angehörige

Gesammelte Empfehlungen und persönliche Anmerkungen für das nahe Umfeld von Sterneneltern. Hier erfahrt ihr, was ihr beachten solltet und wie ihr eine liebevolle und unterstützende Atmosphäre kreieren könnt. Keine Sorge - jetzt kommen keine To Do Liste. Am wichtigsten ist eure innere Haltung zum Tod des Kindes und eure Fähigkeit, Trauer auszuhalten. Und hier kommen die Empfehlungen:

 

1. In die Empathie gehen und das Kind anerkennen

 

Setzt euch in Ruhe hin und versucht, euch die Zukunft des gestorbenen Kindes vorzustellen. Das erste Kennenlernen mit euch, die süßen Bodies, die Geburtstage, wie ihr ein Buch vorlest usw. Ihr als Großeltern, Tanten, Onkel, beste Freund*innen der Eltern, wie ihr mit diesem Kind lacht. Jetzt werdet ihr genau verstehen, wen die Eltern da betrauern und vermissen. Dass nicht einfach nur eine Schwangerschaft nach x Wochen geendet hat, sondern dass hier ein Kind gestorben ist. Ein Kind mit seiner gesamten Zukunft, welches man auch nicht ersetzen kann. Es ist sehr wichtig, dass ihr das im innersten versteht. 

 

Warum ist das wichtig?

 

Sterneneltern haben oft das Gefühl, dass die anderen ihr Kind nicht als einen Menschen sehen, der gestorben ist. Und es tut weh, wenn man das Gefühl hat, dass die eigene Familie / Freunde das nicht begreifen können. In solchen Momenten fühlt man sich dann wahnsinnig allein und unverstanden. Wir brauchen euch aber als Mittrauernde. Es hilft uns ungemein, wenn auch ihr an den Geburtstag unseres Kindes denkt. Wenn ihr an Weihnachten sagt, dass ihr es vermisst. Es ist wichtig, dass ihr dieses Kind genauso in unsere Biografie aufnehmt, wie ihr ein lebendiges Kind mit einbeziehen würdet. Versteht, dass wir trotzdem Eltern sind. Dass dieses Kind in die Gesamtzahl unserer Kinder gehört. Geht ab und an zum Grab des Kindes und legt Blumen hin, wenn ihr uns zeigen wollt, dass ihr für uns da seid. Sagt uns nicht, dass es jetzt doch mal gut ist mit dem Trauern. Wir werden mit 90 Jahren noch traurig sein, wenn wir an dieses Kind denken. Ja, wir werden wieder fröhliche Zeiten erleben und immer besser mit der Trauer umgehen können. Aber wenn ihr versteht, dass wir dieses Kind unser Leben lang vermissen werden, dann seid ihr auch nicht irritiert, wenn wir immer mal wieder traurig sind. Und genau so brauchen wir euch.  

 

2. Beim Trauern begleiten, anstatt den Schmerz lindern zu wollen

 

Natürlich tut es Angehörigen weh, uns Sterneneltern in so tiefer Verzweiflung und Trauer zu sehen. Und da will man logischerweise irgendetwas tun, um alles weniger schlimm zu machen. Oder etwas tröstendes sagen, etwas, das wieder Hoffnung gibt. So verständlich wie das ist, so missverständlich kann es werden. Denn oft senden die "üblichen" tröstenden Worte unterschwellig eine Botschaft, die den Sterneneltern weh tun. Wenn wir genauer hin schauen, steckt in Sätzen wie "Die Zeit heilt alle Wunden", "Ihr werdet schon noch ein gesundes Kind zur Welt bringen" usw. nämlich eher die Botschaft "kommt darüber hinweg" als "Es tut mir so leid, euch so traurig zu sehen. Das muss sehr hart für euch sein. Ich fühle mit euch."

 

Und es ist nur zu verständlich, dass man Hoffnung geben will und die Situation irgendwie "besser" machen möchte. Daher rate ich, dass ihr als Umfeld euch ganz klar vor Augen führt, dass ihr begleiten und Halt geben, aber keinen Schmerz nehmen könnt. Macht euch bewusst, welche Sätze eher eure Hoffnung ausdrücken, dass es den Eltern möglichst bald besser geht. Und diese Sätze schluckt ihr am besten runter. Ein guter Test für euch selbst ist übrigens, ob ihr den gleichen Satz auch zu jemandem sagen würdet, dessen Ehepartner*in gerade verstorben ist. Eignet euch stattdessen Sätze des tiefen Mitgefühls an, und fragt die Eltern einfach, wenn ihr gerne etwas Aktives tun wollt. Indem ihr da seid - und vor allem auch noch nach mehreren Monaten / Jahren für Gespräche und Umarmungen bereit steht - gebt ihr den Sterneneltern bereits alles, was diese brauchen. Denn am schlimmsten ist für uns, wenn unser Kind in Vergessenheit gerät.

 

Einige Ideen, wie ihr uns aktiv helfen, beim Trauern zur Seite stehen und uns somit zeigen könnt, dass unser Kind nicht nur uns in Erinnerung bleibt:

  • Bei der Beerdigung unterstützen (wenn es für die Sterneneltern ok ist)
  • Essen vorbei bringen
  • Auch nach längerer Zeit fragen, wie es den Eltern gerade geht (mit unserem Verlust)
  • Selber Orte der Erinnerung schaffen (Kerze, Bild, Symbolfigur o.Ä.) und dem Kind somit eine Präsenz im eigenen Leben geben (vor allem die Omas und Opas)
  • Blumen an das Grab bringen
  • Den Geburtstag / Todestag / errechneten Entbindungstermin erinnern und sich melden
  • An Weihnachten / Ostern / Familienfesten / Muttertag / Vatertag den Namen des Kindes nennen und gemeinsam an das Kind denken
  • Einen Baum / eine Blume pflanzen
  • Einen Stern nach dem Kind benennen

 

3. Vorsicht mit Ratschlägen und Sinngebungen

 

"Ratschläge sind auch Schläge" lautet ein bekanntes Sprichwort. Und auch hier gilt besondere Vorsicht bei Ratschlägen und Tipps jeglicher Art. Denn Trauer ist kein zu lösendes Problem sondern etwas sehr individuelles, je nach trauernder Person und je nach Situation. Das wichtigste ist in einer solchen Krise, dass die Sterneneltern sich selbst am nächsten sind und nur das machen, was sie wirklich tun wollen. Sie dürfen alles absagen, eine Woche non stop arbeiten, sich in Foren zu Fehlgeburten "verlieren" oder sich weigern, mit euch über ihr Kind zu sprechen. Das alles hat meist irgendwann einmal Raum und die Sterneneltern werden sich dem so hingeben, wie sie es leisten können. Dementsprechend sollten Ratschläge wie "das solltest du nicht tun, das zieht dich doch noch mehr runter" oder "du rennst vor der Trauer weg, nimm dir doch mal Zeit dafür" wenn überhaupt nur ganz vorsichtig geäußert werden. Vertraut in den persönlichen Trauerprozess und wenn ihr euch sorgt, formuliert in "Ich-Botschaften" aka. "Ich habe den Eindruck, dass du aktuell viel arbeitest. Ich habe Angst, dass du die Trauer und den Kontakt zu deinen Gefühlen zu lange wegdrückst.

 

Sinngebungen kennt ihr vielleicht am ehesten aus der Religion. Den Spruch "Die Wege des Herrn sind unergründlich." haben sicherlich viele von uns noch irgendwo in Erinnerung. In einem Zug könnte man da auch "Es sollte vielleicht so sein." und "Wer weiß, wofür es gut war." nennen. Auch spirituelle Sinngebungen ("Die Seele hatte nur eine kurze Aufgabe auf dieser Erde und sollte dir/euch etwas zeigen.") zählen in diese Form der Erklärung von unbegreiflich schrecklichen Schicksalen hinein. Sinngebungen können durchaus trösten, wenn sie dem Glauben der trauernden Person entsprechen. Doch wenn diese Sätze von außen formuliert werden und nicht mit dem jeweiligen Glauben kongruent sind, dann ist es lediglich eine Instrumentalisierung des Todes. Der Tod soll in etwas "Schöneres" verwandelt werden und dadurch an Legitimität gewinnen. Ihr ahnt es - tröstend fühlt sich das für die Sterneneltern dann nicht an. Eher wie eine Nicht-Achtung dessen, dass das unser Kind gewesen ist, das hier gestorben ist. 

 

Daher - versucht weder mit eurer Sinngebung in Form einer allgemeinen Wahrheit zu trösten, noch sprecht bitte den Sterneneltern ihre persönliche Sinngebung ab. Auch wenn ihr nicht daran glaubt.

 

4. Offene Kommunikation bzw. einfach fragen!

 

Grundsätzlich möchte ich euch euch empfehlen, im Zweifel immer in die offene Kommunikation mit den Sterneneltern zu gehen. Vor allem, wenn ihr das Gefühl habt, dass ihr etwas "falsch" gemacht haben könntet (z.B. wenn die Eltern sich aus dem Kontakt mit euch zurückziehen). Signalisiert den Sterneneltern, dass ihr nicht beleidigt sein werdet, wenn sie euch sagen, was sie vielleicht verletzt hat. Wenn ihr unsicher seid, wie ihr mit den Eltern in einer bestimmten Situation umgehen sollt, bezieht sie achtsam in eure Überlegungen ein. (Z.B.: Ihr plant eine Familienfeier und der Bruder wird mit seiner schwangeren Frau dabei sein.)

 

 

Und zu guter letzt: Nehmt euch den Druck raus. Indem ihr da seid, zuhört, und euch die Gefühle der Sterneneltern ehrlich interessieren, tut ihr schon sehr viel. Ihr seid so ein wichtiger Faktor für uns Sterneneltern – bitte bleibt dran, auch wenn es mal schwierig mit uns sein sollte.

 Wir spüren das, dass ihr für uns da sein wollt und ehrlich Anteil nehmt und vergeben euch daher auch schnell Sätze oder Verhalten, die wir vielleicht nicht ganz passend finden. Ihr müsst nicht perfekt sein. Habt keine Scheu, von selbst über unsere Kinder zu sprechen. Wir fühlen uns dadurch gesehen und müssen nicht den Eindruck haben, dass ihr unser Kind als „unangenehmes Thema“ meidet.

 

Indem ihr Veständnis dafür habt, dass wir nicht wie immer „funktionieren“ und hier und da auch mal spontan absagen und lieber allein sein wollen, können wir unseren Gefühlen ohne schlechtes Gewissen nachgeben und somit in einem gesunden Verhältnis zu unserer Trauer leben.

 

Danke und alles Gute euch auf dem Weg mit den Sterneneltern, die ihr begleitet.